Augen auf im Milanwald
Wir berichteten von einer eher durchwachsenen Saison mit in vielen Revieren unklaren Gründen für Revier- oder Brutaufgaben. Es ist meist nicht einfach, die Ursachen herauszufinden. Deswegen beschreibt Hans Wirth aus unserem Team ein Beispiel aus einem Revier bei Pettluis.
An einem der 2022 besetzten Rotmilannester konnte 2023 ein bisher für Schleswig-Holstein einmaliges Geschehen dokumentiert werden:
Das Rotmilanpaar hatte im März seinen Brutplatz wieder bezogen und das Nest für eine erneute Brut hergerichtet. Ende März waren die Vögel dann aber plötzlich wieder verschwunden. Eine Kontrolle des Nestes lieferte die Erklärung dafür. Das Nest war teilweise zerstört worden, ein Teil des neu eingetragenen Nestmaterials hing im umgebenden Geäst. Was war geschehen? Ein Uhu oder ggf. sogar ein Uhupaar hatte das Nest zwischenzeitlich übernommen. Uhus bauen ja selbst keine Nester, sie drehen in vorhandenen Nestunterlagen lediglich eine Nistmulde. Bei diesem Drehen einer Nistmulde war das von den Rotmilanen neu aufgetragene, erst locker aufliegende Nistmaterial wieder vom Nest entfernt worden. Zu einer Uhubrut war es aber nicht gekommen.
Nest der Rotmilane, das durch Muldendrehen des Uhus teilweise zerstört wurde. Foto: H. Wirth
Was ist das Besondere an diesem Fall? Es sind bisher einige wenige Fälle dokumentiert, bei denen es zu Uhubruten in Nestern des Rotmilans gekommen war. Wenn sich Uhus ein Nest für die kommende Brutperiode auswählen, dann geschieht dies meist im Herbst, spätestens aber im Winter. Es ist bisher aber noch nie beobachtet worden, dass ein Nest erst im März von Uhus übernommen worden ist – zu einem Zeitpunkt, am dem die eigentlichen Bewohner auch wieder zugegen sind.
Wenn ein Rotmilanpaar von seinem Brutplatz vertrieben wird, dann sollte man davon ausgehen, dass sich das Paar einen neuen Platz sucht, an dem es zur Brut schreiten möchte. Am 8. Juni wurde tatsächlich ein besetztes, ziemlich kleines Rotmilannest in einem dem Wald vorgelagerten Feldgehölz in einer Eiche gefunden. Es handelt sich eindeutig um einen Neubau aus diesem Jahr.
Der Fund des Nestes gelang gerade noch rechtzeitig, um es in den Beringungstermin am 10. Juni mit einzubeziehen. Thomas Grünkorn staunte nicht schlecht, als er bei der Beringung in dem kleinen Nest drei Jungvögel feststellte. Seine Einschätzung: Aufgrund des kleinen Nestes besteht Absturzgefahr. Der Nestpate hat sich deshalb bereit erklärt, den Brutplatz mindestens 2x wöchentlich zu kontrollieren.
Beringung von 3 Jungvögeln am 10. Juni. Foto: T. Grünkorn
Wie interpretieren wir die Feststellungen in diesem Bereich? Die Anwesenheit der Uhus im Wald hatte anscheinend dazu geführt, dass sich das Rotmilanpaar entschieden hatte, diesen ganz zu verlassen und ein kleines vorgelagertes Feldgehölz als neuen Brutplatz zu beziehen. Wir wollen dieser Vermutung noch durch Suche und anschließenden Vergleich durch Mauserfedern weiter nachgehen.
PS: Die weiteren Nachkontrollen des Paten haben ergeben, dass nur ein Junges aus dem Nest flügge geworden ist. Es ist zwar kein Junges abgestürzt, aber auch hier hat ein Prädator zwei Junge im Nest geschlagen.
Viele junge Greifvögel sind jetzt noch im Familienverband unterwegs und lassen sich durch ihr lautstarkes Betteln gut entdecken. Gerne mit dem Brutzeitcode C12 bei ornitho.de melden. Wir wünschen weiterhin spannende Waldspaziergänge.